© Thomas Heinrich, 2020.
25 Jahre alt
Im Libanon geboren, staatenloser
Palästineser
Wohnhaft in Leipzig
Arbeitet als Busfahrer bei der LVB
Mein Name ist Issam. Ich komme aus dem Libanon und bin
seit Ende 2012 in Deutschland. Vorher war ich fast 2 Jahre in
Belgien. Ich habe beschlossen hierher zu kommen, weil meine
Schwester hier lebt. Zuerst musste ich 2 Monate nach Chemnitz
und habe danach 1,5 Jahre in Elbisbach in einer
Gemeinschaftsunterkunft gewohnt. 2014 kam ich nach Borna,
jetzt wohne ich alleine in einer Wohnung in Leipzig.
Meine ersten Eindrücke von Deutschland waren, dass es hier
Gerechtigkeit gibt. Aber auch, dass die Gegend in Elbisbach
schrecklich war, wir waren total abgeschieden. Es gab nur alle 2
Stunden einen Zug und man musste ewig laufen und war lange
unterwegs um einzukaufen. In Borna war es dann viel besser,
dort gab es Geschäfte und Menschen.
Mein Aufenthaltsstatus erschwert vieles. Momentan bin ich in
Duldung, also ausreisepflichtig. Im Libanon bin ich bis zur 8.
Klasse in die Schule gegangen. Danach habe ich Solaranlagen
montiert und in einer Telekommunikationsfirma Kabel verlegt.
In Belgien hatte ich eine Ausbildung zum Maurer begonnen, die
ich wegen meinem Status aufgeben musste. In Deutschland
habe ich vor meiner Weiterbildung zum Busfahrer bei
verschiedenen Zeitarbeitsfirmen gearbeitet. In Böhlen habe ich ein Jahr die Vorbereitungsklasse am BSZ besucht. Immer wieder
muss ich meine Papiere erklären, was mein Status bedeutet, ob ich arbeiten darf usw. – das macht vieles sehr kompliziert. So
darf ich als Busfahrer z.B. nicht ins Ausland fahren.
Anfangs hat sich niemand für uns interessiert. Als ich nach Deutschland kam war ich orientierungslos – ich wusste nicht wo soll
ich anfangen? Wo soll ich hin? Was kann ich machen? Welche Möglichkeiten habe ich? Das Bild meiner Situation war sehr
undeutlich. Ich hatte viele unbeantwortete Fragen. Und damals gab es kaum Dolmetscher und auch mit Englisch war es
manchmal schwierig. In Elbisbach hat sich niemand für uns interessiert.
Perspektive und Orientierung durch RESQUE 2.0. Von RESQUE 2.0 habe ich erfahren, als ich jemanden zum Übersetzen
dorthin begleitet habe. Ich habe erfahren, dass das Projekt auch bei der Jobsuche hilft. Da habe ich dann auch gleich einen
Termin für mich gemacht. Dort habe ich Orientierung bekommen und verstanden wie das System läuft, wo ich hin muss und
welche Möglichkeiten ich habe. Im Projekt habe ich gelernt wie man Bewerbung schreibt und Unterstützung beim Kontakt mit
den Behörden erhalten. Sehr hilfreich waren dabei Infoveranstaltungen, etwa wie ich einen Ausbildungsplatz finde und welche
Bedeutung eine Ausbildung in Deutschland hat, was sie mir nützt. Mich auf Deutsch zu unterhalten hat mir auch geholfen, denn
am Anfang hatte ich kaum Kontakte.
Viel Unterstützung habe ich vor allem von Sandra und Caro von Bon Courage, Herr Lejsek von der DAA mit den Bewerbungen,
Frau Thierbach und Herr O’Donnell von der Caritas und Frau Imtanes, einer Lehrerin des BSZ in Böhlen erfahren.
Momentan arbeite ich als Busfahrer. Ich bekomme einen allgemeinen Jahresplan und immer für zwei Wochen im Voraus einen
konkreten Fahrplan. Ich muss die Strecke vorbereiten und mir anschauen ob es Umleitungen gibt, wo ich lang fahren muss. Fast
jeden Tag fahre ich einen anderen Bus. Besonders wichtig ist es, dass man sich an die Zeiten hält. Ich muss auf jeden Fall immer
pünktlich sein, sonst kommt der ganze Dienstplan durcheinander. Meine Dienstzeiten sind immer unterschiedlich und ich muss
immer an unterschiedlichen Orten anfangen.
In meiner Freizeit treffe ich mich gern mit Freunde, trinke Kaffee. Auch fahre ich oft nach Berlin um meine Verlobte zu besuchen.
Ansonsten gehe ich regelmäßig ins Fitnessstudio und Schwimmen.
Für die Zukunft wünsche ich mir in Ruhe und Frieden zu leben, gesund zu bleiben. Meine Eltern zu sehen und in die Arme zu
nehmen und meine Geschwister wiederzusehen. Außerdem möchte ich mit dem Flugzeug fliegen und neue Länder sehen. Und
ich wünsche mir endlich abschalten zu können vom Ausländeramt, die schwere Zeit zu vergessen. Ich würde gern nach Berlin
ziehen, heiraten und die Ausbildung zum Straßenbahnfahrer machen. Ich will immer Neues lernen, später vielleicht selbstständig
sein mit einem Umzugsunternehmen. Auch würde ich gerne bei einem Fernbusunternehmen arbeiten, aber das ist schwierig,
wenn man eine Familie gründen will – außerdem darf ich mit der Duldung nicht ins Ausland.
Leipzig im Oktober 2018.
ISSAM