© Thomas Heinrich, 2020.
22 Jahre alt
Aus Syrien
Wohnhaft in Leipzig
Auf der Suche nach einem
Ausbildungsplatz als Medizinische
Fachangestellte
Mein Name ist Helen. Ich bin 22 Jahre alt und komme aus
Syrien. Seit November 2015 lebe ich mit meinem Bruder in
Leipzig. In den ersten Wochen und Monaten in Deutschland habe
ich nur daran gedacht, schnell Deutsch zu lernen und dann
meine Eltern nach Leipzig zu holen. Deswegen habe ich bereits in
der Erstaufnahmeeinrichtung (Friederikenstraße in Leipzig) jede
Möglichkeit wahrgenommen, die Sprache zu erlernen. Nebenbei
unterstützte ich dort die Mitarbeiter der Kinderspielstube bei
ihrer Arbeit wie z.B. bei der Freizeitgestaltung für Kinder, leistete
einfache Dolmetscherdienste aus dem Arabischen ins Deutsche
und umgekehrt.
Erfahrungen auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft.
Nachdem mein Asylantrag positiv entschieden wurde, fing ich an
zu überlegen, was ich nach meinem Integrationskurs in
Deutschland machen werde. Bereits als kleines Kind stand für
mich fest, einen Beruf im medizinischen Bereich zu erlernen. Ich
habe in Syrien neun Jahre die Schule besucht, mein Abschluss
wurde hier als Hauptschulabschluss anerkannt.
Meine ersten Eindrücke von Deutschland waren sehr angenehm
aber meine Gedanken waren stets bei meinen Eltern und meinen Geschwistern, die in der Türkei und in Syrien
zurückgeblieben sind. Es ist eine große Herausforderung für mich – als Frau mit Kopftuch – einen Platz in der Gesellschaft zu
finden. Einmal wurde ich auf der Straße von einer Passantin angesprochen, warum ich ein langes Kleid und Kopftuch trage –
das steht doch nicht im Koran. Daraufhin antwortete ich: „Das ist doch meine Religion“. Aufgrund meiner begrenzten
Möglichkeit sprachlich in einer Diskussion meinen Standpunkt zu vertreten, ging ich weiter. Ihre Sätze, die sie mir
hinterherrief, habe ich leider oder auch zum Glück nicht verstanden.
Über RESQUE 2.0 in die Berufswelt. Vom ersten Tag an habe ich Unterstützung, Hilfe und Zuspruch von verschiedenen
Leuten bekommen, wie z.B. von den Sozialarbeitern im Asylbewerberheim in der Torgauer Straße und von den Mitarbeitern
des Naomi e.V. Bei der DAA Leipzig habe ich meinen Willkommenskurs gemacht, so erfuhr ich vom Projekt RESQUE 2.0. Nach
den ausführlichen Gesprächen zur Berufsorientierung kümmern wir uns gemeinsam mit dem RESQUE 2.0 – Team um die
Suche nach einem Ausbildungsplatz als Medizinische Fachangestellte. Seit Februar 2018 heißt es „bewerben, bewerben,
bewerben“, bis jetzt leider erfolglos. Aber ich kann mir gut vorstellen, ein Jahr FSJ oder BUFDI im medizinischen Bereich zu
absolvieren, um mich im nächsten Jahr neu zu bewerben. Ausbildungsplatzsuche ist ein Fulltimejob, sodass mir wenig Freizeit
bleibt. Jede freie Minute versuche ich Kontakt zu meiner Mutter in der Türkei aufzunehmen. Sie interessiert alles, was ich
mache, wie ich die Sprache lerne, mit wem ich meine Freizeit verbringe und natürlich wie meine Suche nach einem
Ausbildungsplatz läuft. Sehr gern erzähle ich ihr aus meinem Leben, weil hier alles anders und neu für sie und auch für mich
ist.
Für die Zukunft. Ich wünsche mir eine Ausbildung im medizinischen Bereich erfolgreich abzuschließen, einen guten Job zu
finden und selbstverständlich eine Familie zu gründen. Verlobt bin ich schon.
Leipzig im Juli 2018.
Helen